Acta Oeconomica Pragensia 2007, 15(7):161-175 | DOI: 10.18267/j.aop.190

Zur Frage informeller Machtverhältnisse im Staatssozialismus. Das Beispiel der tschechoslowakischen Industriebetriebe 1945-1968

Peter Heumos

Dr. Peter Heumos - bývalý odborný pracovník; Collegium Carolinum, München (janaheumos@yahoo.de).

Informelle Machtverhältnisse im Staatssozialismus sowjetischer Provenienz waren vor allem im industriellen Bereich zu finden. Ihr Ausmaß differierte von Land zu Land und hatte unterschiedliche Folgen für die organisatorisch-politische Integration der Industriebetriebe in das Gesamtsystem. Gestützt auf die starke Stellung der Betriebsräte v o r der kommunistischen Machtübernahme und dank der schwachen Position des industriellen Managements in den 50er Jahren entwickelte sich in der Tschechoslowakei nach 1948 in den Industriebetrieben ein syndikalistisch eingefärbter, von den gewerkschaftlichen Betriebsorganisationen getragener Prozess der Selbstorganisation und Machtappropriation der Industriearbeiter, der im Zuge der Wirtschaftsreform der 60er Jahre kulminierte. Mit den zentralen Forderungen nach dem Rückzug der KPTsch und des ÚRO aus der direkten Steuerung des Produktionsprozesses bahnte sich 1968 ein grundlegender Systemkonflikt an, der dadurch angeheizt wurde, dass die Reformbewegung in den Industriebetrieben deutlich die Interessen und die Machtposition des Managements präferierte. Die Okkupation der Tschechoslowakei im August 1968 hat die Austragung dieses Systemkonflikts verhindert.

Keywords: communism, industrial workers, informal power structures, shop steward, autonomy of industrial plants

Published: December 1, 2007  Show citation